Beeindruckend, berührend und beklemmend zugleich war die Atmosphäre in der Aula des Beruflichen Schulzentrums: Ernst Grube, ein Zeitzeuge der Naziverbrechen aus Regensburg, erinnerte an eine grausame Lebensphase: die menschlichen Tragödien und Schicksale aus dieser Zeit wie die Ausgrenzung von Menschengruppen, Verachtung durch das Stigma des Judensterns, Verbot der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, Perspektivlosigkeit oder stete Präsenz der Angst zogen sich wie ein roter Faden durch das Leben der Familie Grube nach der Machtübernahme 1933 durch das Naziregime bis zum Kriegsende 1945- und die seelischen Folgen weit darüber hinaus.

In dem zu Ende gehenden Schuljahr führten die Lehrkräfte Thomas Feyrer und Simon Hambeck im Rahmen des Religionsunterrichts ein ausführliches und gelungenes Projekt zur Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus durch. Den Auftakt bildeten intensive Berichte und Erzählungen über die Schandtaten dieser dramatischen und unmenschlichen Zeit im Rahmen des Unterrichts. Dabei wurden vor allem ethische, historische und theologische Fragestellungen beantwortet – beispielsweise zu Täter- und Opferrollen oder zur Verantwortung der Gesellschaft. Eine Exkursion zur KZ-Gedenkstätte Flossenbürg brachte die jungen Leute dann an einen historischen Ort des Geschehens. Neben einer Führung durch das ehemalige Lager beschäftigten sie sich in einem Workshop mit der Frage, wie die Zivilbevölkerung in Extremsituationen- zwischen Angst, Hilflosigkeit und Mut- reagieren könne. Dazu engagierten sich die Klassen aktiv im Projekt #everynamecounts der Arolsen Archives. Dabei digitalisierten sie über 2500 historische Dokumente aus der NS-Zeit und halfen mit, die Erinnerung an die Opfer dauerhaft zu bewahren. Der Rotary Club Amberg mit Dr. Tobias Riedl an der Spitze hatte mit seiner großzügigen Spende die Umsetzung dieses eindrucksvollen Projekts maßgeblich unterstützt. Dabei wurde auch intensiv die Frage nach Zivilcourage in der Jetztzeit ausführlich diskutiert. Drei Klassen konnten nun zu stummen und erschütterten Zuhörern über unmenschliche und völlig absurde Gräueltaten der deutschen Verbrecher im zweiten Weltkrieg werden…

Der sehr rüstige 92-jährige Rentner hatte seinen lebendigen und emotionalen Vortrag mit Hilfe von Bildern und Erinnerungen aufgebaut: „Ich werde aus meiner Kindheit erzählen”, leitete Ernst Grube ein. Seine Mutter war Jüdin und Krankenschwester aus Darmstadt, der Vater Nicht-Jude und Handwerksmeister aus Ostpreußen. Die Familie mit den drei Kindern Werner (1930), Ernst (1932) und Ruth (1938) besaß in München, nahe der Synagoge, ein eigenes Haus.
Im Juni 1938 brannte die Synagoge nieder. Die Familie musste das enteignete Haus verlassen, Wasser, Strom und Gas wurden gesperrt. Die Eltern fanden Zuflucht bei der Kultusgemeinde. Die drei Geschwister lebten mit 43 weiteren jüdischen Kindern in einem Heim in Schwabing. „Eine andere Zeit begann für mich”, merkte der Zeitzeuge an. „Unsere Familie war zwar noch sicher, doch auf der Straße erlebten wir Ablehnung, Verachtung und Demütigung.“ Der Holocaust war noch nicht sichtbar, doch das „Leben der jüdischen Bürger wurde systematisch zerstört”. Arbeit und Wohnrecht wurden ihnen entzogen. Die berufliche und materielle Existenz ging verloren.
Im November 1941 endete der Heimaufenthalt – die Hälfte der Kinder war bereits nach Litauen deportiert und ermordet worden. Das Leben in Baracken begann. Nach der Auflösung der Münchner Lager 1943 bekam die Familie eine kleine Wohnung. Der Vater arbeitete weiter als Malermeister und hatte als Nicht-Jude gewisse Vorteile.
Seine Biografie führte Grube über die schwierige Kindheit in München und familiäre Verluste immer tiefer in die grausame Realität des Nazi-Regimes. Im Februar 1945 wurde die Mutter von der Gestapo abgeholt. Die Kinder kamen getrennt nach Theresienstadt – eine Garnisonsstadt nahe Prag. Diese Anlage, ursprünglich für 5.000 bis 6.000 Soldaten gedacht, wurde zur Sammel- und Durchgangsstation für Tausende Juden.
Grube war mit 20 anderen in einem 20 Quadratmeter großen Raum untergebracht. Die Menschen lebten in Ungewissheit. Gespräche mit Bekannten über Angst und Zukunft waren für ihn wichtig. Bei der Zusammenstellung eines Transports herrschte große Beklemmung. Die bange Frage „Bin ich dabei?” war allgegenwärtig. Am 8. Mai 1945 befreite die Rote Armee das Ghetto. Der Senior musste unfassbares Leid miterleben, hatte aber im Gegensatz zu vielen das Glück, überlebt zu haben. Doch die grausamen Erfahrungen hinterließen tiefe Spuren in seinem Leben.

Seit über 40 Jahren engagiert sich Grube nun als Referent, aber auch als Politiker und Journalist auf vielen Ebenen gegen Rassismus und Antisemitismus. Der Domstädter hatte auch noch viel Zeit für die Beantwortung von Fragen der jungen Zuhörer mitgebracht, die das Angebot, einen Zeitzeugen aus dieser dramatischen Lebenszeit zu befragen, auch rege und mit inhaltlich anspruchsvollen und merklich betroffenen Fragen nutzten.