Vergangenen Donnerstag besuchte Erster Hauptkommissar a.D. Jochen Breitenbach die Schülerinnen und Schüler der 12. Klassen des Nabburger Gymnasiums. Dies geschah, um die Ereignisse rund um die deutsche Wiedervereinigung, die sie im Geschichtsunterricht bei OStRin Dr. Nadine Kilgert-Bartonek und OStR Dr. Markus Janner behandelt hatten, anschaulich zu vertiefen.
Breitenbach ging in seinem interessanten und kurzweiligen Vortrag insbesondere auf den Zeitraum zwischen dem 11. September 1989, dem Tag der ungarischen Grenzöffnung, und dem 9. November 1989, dem Tag des Mauerfalls ein.
Der BGS-Beamte, der selbst an der hessisch-thüringischen Grenze aufgewachsen war, leitete zunächst eine Erstaufnahmestelle in Tiefenbach bei Passau, wo im Laufe von zwei Wochen etwa 20.000 Übersiedler aus der DDR aufgenommen worden waren und in Zelten campierten. Die Menschen blieben dort aber nur kurz, also ein bis drei Tage und die Fluktuation war groß. Viele wurden dort von westdeutschen Verwandten abgeholt oder gleich von Arbeitgebern angeworben. Die Menschen kamen entweder in Bussen oder in eigenen Fahrzeugen an und Breitenbach erinnerte sich noch gut an die ersten Ankömmlinge am 11. September um fünf Uhr morgens: eine Familie mit zwei Kleinkindern im Lada.
Diese Zeit, die Breitenbach als die einprägsamste in seinem Leben beschreibt, war sowohl von positiven als auch negativen Erfahrungen gezeichnet. Zu den schlimmsten Erinnerungen zählte ein Gespräch, dass er mit vier jungen Männer geführt hatte, die zu fünft in die Donau gesprungen waren, um zu fliehen und endlich frei zu sein. Leider erreichte ein Mann das andere Ufer nicht. Zu den schönsten Erinnerungen zählte die Ankunft eines frisch in der DDR vermählten Brautpaares, dass seine Hochzeitsreise in den Westen über Ungarn gemacht hatte. Dem Paar wurde dann für die Hochzeitsnacht ein Zwei-Mann-Zelt zur Verfügung gestellt.
Breitenbach merkte jedoch an, dass unter den Übersiedlern auch zahlreiche unerkannte Stasiangehörige waren, da die DDR-Führung mit dieser Entwicklung absolut nicht konform ging. Die Methoden der Staatssicherheit, die Menschen zurück in den Osten zu locken, waren teils ziemlich perfide. In Tiefenbach waren Telefonzellen eingerichtet worden, damit die Übersiedler bei ihren zurückgebliebenen Angehörigen anrufen konnten. Viele Anrufer wollten jedoch nach den Telefonaten sofort wieder zurückreisen. Die Stasi hatte die in der DDR verbliebenen Angehörigen unter Druck gesetzt und ihnen aufgetragen, die Anrufer aus dem Westen zu belügen. Es wurden Unfälle von Angehörigen erfunden, Mütter und Väter lägen reihenweise auf den Sterbebetten etc. Die Häufung dieser vermeintlichen Schicksalsschläge fiel den BGS-Beamten in der Aufnahmestelle allerdings recht bald auf und sie konnten die Wogen glätten.
Als sich gegen Ende September die deutsche Botschaft in Prag mit ostdeutschen Flüchtlingen füllte und die hygienischen Zustände dort nicht mehr tragbar waren, wurden von Bundesinnenminister Hans-Dietrich Genscher Sonderzüge für deren Ausreise in die BRD nach Hof (Oberfranken) bewilligt. Die Züge, sechs an der Zahl mit je ca. 1000 Insassen, mussten dafür jedoch die DDR passieren und die DDR-Staatsregierung sorgte an der gesamten Bahnstrecke für bewaffnete Posten. Um einer blutigen Übernahme vorzubeugen, wurden die Waggons verplombt und in jedem Wagen saß ein Angehöriger der westdeutschen Botschaft. Breitenbach betont, dass es an dieser Stelle Spitz auf Knopf stand. Und wenn die DDR-Regierung für einen harten Kurs Rückhalt aus Moskau gehabt hätte, die Züge Hof nie erreicht hätten und „platt gemacht“ worden wären. Nach stundenlanger Verspätung kamen die Übersiedler dann aber doch, erschöpft zwar, aber glücklich in Hof an. Nachdem die BGS-Beamten die Waggons mit Kantschlüsseln geöffnet hatten, sprangen sie reihenweise aus den Zügen und freuten sich über die Maßen, endlich in Freiheit zu sein. Sie wurden dann zunächst in Kasernen u. ä. untergebracht, einige kamen auch nach Nabburg in die BGS-Kaserne. Nach der richtigen Grenzöffnung am 9. November änderte sich jedoch das Klientel, das „rübermachte“, denn die DDR-Staatsregierung öffnete auch die Staatsgefängnisse, in denen bei Weitem nicht nur politische Häftlinge eingesessen hatten. Mit den Kriminellen, die quasi Amnestie bekommen hatten, hatten die BGS-Beamten ihre heile Not.
Breitenbach, der für sein Engagement in der Erstaufnahmestelle mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde, war in der Folge als Dozent für so genannte Anpassungsfortbildungen für ostdeutsche Kollegen tätig. Er beendet seinen Vortrag mit der Feststellung, dass es wirklich ein großes Glück für Deutschland war, dass die Wiedervereinigung friedlich ablief und dass das alles ganz anders hätte laufen können, wenn Gorbatschow der DDR-Regierung grünes Licht gegeben hätte.