Im Rahmen der Begleitveranstaltungen zur Ausstellung „Eschenbach vor 100 Jahren – Die 20er Jahre“ fand im Taubnschusterhaus ein Vortrag über die gesellschaftliche Stellung der Frau in der Zwischenkriegszeit statt. Rund 30 Besucherinnen und Besucher waren der Einladung der Volkshochschule Eschenbach und des Heimatvereins gefolgt, die diese Veranstaltung gemeinsam organisiert hatten. Referentin war Andrea Burger, die mit großer Sachkenntnis durch die bewegte Epoche führte.
Im Zentrum stand das Jahr 1918 – ein Wendepunkt der deutschen Geschichte. Mit dem Inkrafttreten des Reichswahlgesetzes am 30. November 1918 erhielten Frauen erstmals das aktive und passive Wahlrecht. Dieser politische Meilenstein markierte den Beginn tiefgreifender Veränderungen in der Gesellschaft.
Burger zeigte auf, wie viele Frauen während des Ersten Weltkriegs neue Rollen in Wirtschaft und Industrie übernahmen – aus der Not heraus, aber mit bleibenden Folgen: Nach Kriegsende wuchs der Wunsch nach Unabhängigkeit und Erwerbstätigkeit. In der Weimarer Republik etablierte sich der Typus der „Neuen Frau“: selbstbewusst, gebildet, berufstätig und modisch. Besonders in den Städten waren diese Frauen sichtbar – auf dem Weg zur Arbeit, ins Kino oder ins Café. Auch der Anteil von Frauen in Hochschulen und Sportvereinen nahm deutlich zu.
Politisch engagierten sich viele in Parteien wie SPD, Zentrum oder KPD. Namen wie Clara Zetkin oder Marie Juchacz stehen exemplarisch für die neue weibliche Stimme in der Gesellschaft.
Weniger dynamisch verlief diese Entwicklung auf dem Land. Dort bestimmten weiterhin traditionelle Rollenbilder den Alltag. Frauen waren meist als mithelfende Familienangehörige tätig, Bildungszugänge für Mädchen blieben begrenzt. Der gesellschaftliche Wandel blieb hier vielerorts aus – begünstigt durch kirchliche Einflüsse und geringe Informationsverbreitung.
Zum Abschluss widmete sich Andrea Burger den wirtschaftlichen Krisen der Weimarer Republik: Hyperinflation 1923 und Weltwirtschaftskrise ab 1929. Beide Ereignisse trafen breite Bevölkerungsschichten hart und erschütterten das Vertrauen in die junge Demokratie – mit langfristigen politischen Folgen.
Der Vortrag bot nicht nur fundierte Einblicke in ein bewegtes Kapitel der Geschichte, sondern regte auch zur Diskussion über heutige Geschlechterrollen an. Der Heimatverein und die Volkshochschule bewiesen mit dieser gelungenen Veranstaltung einmal mehr, wie relevant historische Bildung auch auf lokaler Ebene sein kann.