Insbesondere durch Werner Winklers unlängst erschienene Schmeller-Biografie ist die öffentliche Wahrnehmung des im vorvorletzten Jahrhunderts in Tirschenreuth geborenen Sprachforschers zuletzt deutlich gestiegen – sehr zur Freude der Johann-Andreas-Schmeller-Gesellschaft, bei deren Jahreshauptversammlung im Café Rieß denn auch die positiven Nachrichten deutlich überwogen.
Erster Vorsitzender Christian Ferstl äußerte sich mit Blick auf die derzeitige Entwicklung mehrerer aktueller Projekte sehr zuversichtlich. So wertete er es als großen Erfolg, dass nicht zuletzt auf Betreiben der Schmeller-Gesellschaft nach zwei gescheiterten Versuchen der im Trentino gelegenen Gemeinde Laim (Terragnolo) für dieses Jahr endlich die Aufnahme als Mitglied in das Einheitskomitee der historischen deutschen Sprachinseln in Italien zugesichert worden ist, was gleichzusetzen sei mit einer Anerkennung der dortigen zimbrischen Sprachminderheit. Ebenfalls überaus erfreulich würden sich die Bemühungen um eine Ertüchtigung der eigenen Fachbibliothek gestalten. Seit vergangenem September gehöre diese dem Bibliotheksverbund Bayern an, vor kurzem habe man zudem den Zugang für die Online-Zeitschriften-Katalogisierung erhalten. Nachdem sich in den letzten Jahren ein nicht unerheblicher Rückstand bei der Publikation der Jahrbücher eingestellt habe, zeichne sich hier endlich eine Trendwende ab. So sei in den nächsten beiden Jahren mit dem Erscheinen von mindestens vier Jahrbüchern zu rechnen, überdies seien bis ins Jahr 2027 schon die Titel vergeben. Im nächsten Jahr soll in Tirschenreuth dem Vorsitzenden zufolge in der Nachfolge der bisherigen Dialektologischen Symposien im Bayerischen Wald die erste Stiftlandtagung stattfinden. Ein mögliches Thema hierfür sei „Sprachminderheiten allerorten: Aspekte linguistischen und kulturellen Transfers“. Daneben plane die Schmeller-Gesellschaft auf Initiative von Dr. Peter Kaspar künftig an einer bayerischen Universität die Durchführung einer Lehrveranstaltung im Fach Dialektologie, da hierfür das Angebot vonseiten der Universitäten tendenziell rückläufig sei. Dagegen sei die Kooperation mit der Westböhmischen Universität Pilsen zum Jahresende 2024 aufgekündigt worden, da dort im Zuge umfassender Sparmaßnahmen, in deren Folge der Lehrstuhl für Slawistik und Germanistik aufgelöst wurde, kein Ansprechpartner für die Schmeller-Gesellschaft mehr bereitgestellt werde.
Bereits zu Beginn der Versammlung war der verstorbenen Mitglieder des letzten Jahres gedacht worden, darunter des bisher einzigen Ehrenmitgliedes Anne Marie Hinderling-Eliasson.
Schatzmeisterin Tatjana Ziegler bezifferte den derzeitigen Mitgliederstand auf 184 und legte einen ausführlichen Kassenbericht vor, an dem es von den Kassenprüfern Michael Bischoff und Prof. Dr. Anthony Rowley nichts zu beanstanden gab, so dass die Entlastung der Vorstandschaft einstimmig erfolgte.
Als Höhepunkt des Abends bezeichnete Ferstl den darauf folgenden Vortrag von Dr. Werner Winkler, der über die Entstehungsgeschichte und den Inhalt seiner neuen Schmeller-Biografie „Johann Andreas Schmeller. Heimat finden in der Sprache“ referierte. Dazu war extra aus Regensburg auch Verleger Fritz Pustet angereist, der sich sehr erfreut darüber zeigte, mit Werner Winkler und Anthony Rowley gleich zwei seiner Verlagsautoren endlich persönlich kennenzulernen. Ausgehend vom berühmten Chorsatz „O Fortuna“ aus den von Schmeller herausgegebenen und von Carl Orff vertonten „Carmina Burana“, legte Winkler dar, dass sich auch Schmeller zeitlebens den Launen der Schicksalsgöttin ausgesetzt sah. Die Vorstellung, entrechtet zu sein und im sozialen Abseits zu stehen, verfestigte sich demzufolge bei Schmeller als belastendes Trauma sein Leben lang. Fortuna wurde für ihn zur Widersacherin des Beständigen und Zuverlässigen, so Winkler. Einen Gegenpol hierzu bildete für Schmeller die Sprache, in der er seine Heimat und festen Halt fand, da ihre Gesetze mit den Gesetzen der Natur übereinstimmten. So konnte Winkler resümieren: „Die Sprache in ihrer Gesetzmäßigkeit wurde ihm zu einem Widerschein einer letzten gesetzmäßigen Wahrheit.“ Winkler war es in seinem Werk darum gegangen, folgende Fragen zu beantworten: Wer war dieser Schmeller, der hinter dem bekannten Wissenschaftler stand? Was trieb ihn an? Welche Absichten verfolgte er? Mit einem persönlichen Wort schloss Winkler seine Ausführungen. Demnach könne sowohl beim Verfassen wie auch beim Lesen eines biografischen Werkes eine stille Kommunikation mit dem Protagonisten entstehen, die Spuren in der eigenen Welt hinterlässt.
Den letzten Gedanken Winklers griff Christian Ferstl anschließend auf, indem er anmerkte, wie nah man sich Schmeller während Winklers Worten habe fühlen können. Es war dies zugleich der Zeitpunkt, um Werner Winkler zum Dank für seinen langjährigen Einsatz für die Schmeller-Gesellschaft und als Anerkennung für seine außerordentlichen Verdienste um die Schmellerforschung zum Ehrenmitglied zu ernennen.
In seinem Schlusswort bedankte sich Bürgermeister Franz Stahl für die stets harmonische Zusammenarbeit zwischen Stadt und Schmeller-Gesellschaft und kündigte hinsichtlich der Überlegungen aus den Reihen der Gesellschaft, Tirschenreuth künftig als Außenstandort in die universitären Dialektstudien miteinzubeziehen, weitere Gespräche an, ehe er in seiner Eigenschaft als Zweiter Vorsitzender die Versammlung schloss.
Info-Kasten – Vorstellung des neuen Ehrenmitglieds Dr. Werner Winkler:
- in den 1970er Jahren Versetzung in die Schmellerstadt als Lehrer am Stiftland-Gymnasium
- 1979 Angebot von Prof. Dr. Robert Hinderling (Universität Bayreuth), über Schmellers Briefwechsel zu promovieren
- im selben Jahr Gründung der Schmeller-Gesellschaft, seitdem Mitglied in verschiedenen Funktionen
- 1985 erster Träger des Johann-Andreas-Schmeller-Preises
- 1989 Herausgabe von Schmellers Briefwechsel in drei Bänden
- von 1990 bis 1996 Erster Vorsitzender der Schmeller-Gesellschaft
- 2022 Publikation von Nachträgen zu Schmellers Briefwechsel (erschienen in der Jahrbuchreihe der Schmeller-Gesellschaft in weiteren zwei Bänden)
- 2024 Veröffentlichung der Biografie „Johann Andreas Schmeller. Heimat finden in der Sprache“