Was für eine Herausforderung, 9.101 Meter in die Tiefe zu bohren! Schier unglaublich muten noch heute die Herausforderungen an, die sich die Wissenschaftler stellen mussten, als man in den 1980er-Jahren mehr über die Bedingungen und Prozesse in der tieferen Erdkruste wissen wollte. Der Gerwig-Kreis Waldsassen e. V. besuchte im Oktober 2024 auf Anregung von Vereinsmitglied Gerhard Schmaus das Geo-Zentrum am KTB in Windischeschenbach.
Kurzweilig und sehr anschaulich informierte der wissenschaftliche Leiter Herr Dr. Holzförster seine an diesem Tag aus Waldsassen nach Windischeschenbach migrierten Zuhörer über die Geschichte der rund neun Kilometer tiefen Bohrung. Warum „migriert“? Beide Städte liegen geologisch betrachtet auf unterschiedlichen Kontinenten: die Klosterstadt auf dem saxothuringischen und die Hauptstadt des Zoiglbieres auf dem moldaudanubischen. Um mehr über die Bedingungen und Prozesse in der tieferen Erdkruste zu erfahren, wollte man entlang der Grenze der beiden Kontinente, die sich übereinander geschoben und damit aufgefaltet hatten, eine Bohrung vornehmen.
Zunächst erscheint dies vergleichsweise einfach zu sein, da hier die Erdkruste „nur“ 22 bis 24 Kilometer dick ist. Dieser Vorteil erwies sich aber schnell als Nachteil: Die Temperaturen in der Erdkruste sind hier sehr hoch. Daher entschied man sich für einen Standort etwas weiter im Osten mit einer etwas dickeren Erdkruste.
Zwei Bohrtürme – zwei Bohrkonzepte
Die Vorbohrung bis in eine Tiefe von 4.000 Metern war eine Hohlbohrung, bei der man laufend Bohrkerne entnehmen und wissenschaftlich auswerten konnte. Dabei war es nicht notwendig, beim Wechsel des Meißels den gesamten Bohrstrang aus- und wieder einzubauen. Deutlich herausfordernder war die Hauptbohrung, die man am 10. Oktober 1994 bei einer Tiefe von 9.101 Metern und einer Temperatur von 267 Grad einstellen musste. Bis zu einer gewissen Temperatur kann ein Bohrer Stein zerbrechen. Sind die Temperaturen aber zu hoch, rührt der Bohrer nur noch. Zur Veranschaulichung riet Dr. Holzförster, sich das Umrühren in einem Honigglas vorzustellen. Nachdem ein dritter Versuch, noch tiefer zu bohren, gescheitert war, stellte man die Bohrung ein. Im Gegensatz zur Vorbohrung spülte man in der Hauptbohrung Gestein nach oben, man konnte aus solchen Tiefen keine Bohrkerne gewinnen. Die Spülung begünstigte zusammen mit einem ausgeklügelten Lot-Verfahren eine senkrechte Bohrung bis 8.000 Meter Tiefe. Weil dieses aufgrund der enormen Hitze darüber hinaus nicht mehr funktionierte, befindet sich heute der tiefste Punkt der Bohrung mehrere hundert Meter vom Bohrturm entfernt und nicht direkt unter diesem.
Egal welches Bohrverfahren, ein Bohrmeißel hielt nur für etwa 100 Meter der extremen Beanspruchung stand und musste dann gewechselt werden. Dies war nicht billig: Bei der Vorbohrung kosteten die „Standard“-Bohrer, die Bohrkerne mit rauer Oberfläche herausarbeiten konnten, 10.000 Mark. Um Bohrkerne mit glatter Oberfläche, mit denen eine effizientere wissenschaftliche Arbeit möglich war, zu gewinnen, setzte man auf Bohrer aus Diamant, welche 18.000 Mark teuer waren.
Großes Interesse in der Öffentlichkeit
Nachdem man die Bohrungen eingestellt hatte, wollte man die Anlage zunächst zurückbauen. Aufgrund eines breiten Interesses in der Öffentlichkeit an diesen geologischen Erkundungen entschloss man sich zur Einrichtung eines Geo-Zentrums, das sich in mehreren Schritten weiterentwickelte und heute als Umweltzentrum ein Besuchermagnet für Schulklassen, Touristen und Einheimische ist.
Museum und Außengelände
Der „Renner“ für die Kinder war im Museumsbereich der Erdbebensimulator, mit dem sie ihre „Standfestigkeit“ bei verschiedenen Erdbebenstärken erproben konnten. Natürlich wollten sie dann auch testen, wie sicher Erwachsene sich auf wankendem Untergrund halten können. Daneben widmet sich der Ausstellungsbereich dem Vulkanismus.
War schon die Theorie beeindruckend, die Zeugnisse der Bohrungen im Außengelände ließen noch mehr staunen. Der dreiteilige Bohrturm für die Hauptbohrung ist 85 Meter hoch, da man viel freien Raum für Montage bzw. Demontage des Bohrgestänges beim Ersetzen des Bohrmeißels brauchte. Eine Bohrstange war 13 Meter lang und, da man immer drei zu einer Einheit zusammensetzte, benötigte man 40 Meter Höhe über der Arbeitsbühne.
Ein neugieriger Blick in das Bohrloch ist nicht möglich. Dieses hat zunächst einen Durchmesser von 77 Zentimetern und verjüngt sich auf 22 Zentimeter. Nachdem der geistige Hunger mehr als gestillt war, schloss die sehr informative Veranstaltung des Gerwig-Kreises Waldsassen gesellig mit einem Mittagessen im Restaurant Schweinmühle.