Unerschrockener Widerstandskämpfer und „Höhlendrucker“: Der Heimatkundliche Stammtisch Ursensollen widmete sich dem NS-Widerstandskämpfer Ludwig Göhring aus Nürnberg und zeigte dessen entbehrungsreiches Leben während der Diktatur auf.
Um Geschichten von Aussteigern und Außenseitern ging es bei der vierten Auflage des Heimatkundlichen Stammtischs der Gemeinde Ursensollen im aktuellen Herbst- und Winterhalbjahr. Stellvertretende Heimatpflegerin Annemarie Lehmeier hatte dazu Geschichten, überwiegend aus der Region, gesammelt und erklärte anschaulich die Hintergrundgeschichten dazu. Außerdem stellte Walter Schraml, Kreisheimatpfleger im Landkreis Amberg-Sulzbach und Heimatpfleger der Gemeinde Neukirchen bei Sulzbach-Rosenberg, den mutigen NS-Widerstandskämpfer Ludwig Göhring aus Nürnberg vor und schilderte dessen entbehrungsreiches Leben während der Diktatur.
Es gibt nur noch wenige Zeitzeugen, die derartige Aussteiger kannten und von ihnen erzählen können. Annemarie Lehmeier hat Vorarbeiten ihres Kollegen, Heimatpfleger Josef Schmaußer, und weitere Literatur aufgegriffen, ergänzt und zum Beispiel vorletztes Jahr beim „Tag der Heimat“ die Geschichte um den „Board Hortl“ szenisch dargestellt. Der Aussteiger lebte einige Jahre bei einer Witwe in Hausen und zog nach dem Krieg das entbehrungsreiche Leben in einer Höhle nördlich von Hausen vor. Später „siedelte“ er in die „Korlhöhle“ am alten Kirchensteig zwischen Ehringsfeld und Götzendorf kurz vor der „Hohen Straße“ um.
Karl Lutter aus Ehringsfeld kann sich noch gut an ihn erinnern. Der skurrile Einzelgänger mit seinem langen Bart (daher sein Name „Board Hortl“) versuchte als Erntehelfer und Handlanger zu einem kleinen Entgelt oder einen Teller Suppe zu kommen. Der Name „Hoartl“ dürfte sich von Leonhard ableiten. Manchmal klopfte er für die Gemeinden auch Steine zum Wegmachen. Karl Lutter weiß außerdem noch, dass man für den Wohnsitzlosen, der immer wieder auch beim Lutter-Anwesen „Grießl Girgl“ auftauchte, um eine Mahlzeit zu erhalten, extra einen Teller und ein extra Besteck bereithielt. Den Kinder nämlich habe es doch etwas „vor dem Hortl gegraust”, und niemand aus der Familie habe mit dem von ihm benutzten Besteck essen wollen.
Wurde es im Winter zu kalt, erlaubten es die Lutters und auch andere Bauernfamilien, dass der Hortl im Stadl oder auch im noch wärmeren Kuhstall übernachten durfte. „Es war ein braver Mann“, sagte Karl Lutter. „Er war besonders im Winter viel bei uns.” Man habe ihm dann einfach ein Schied (Bündel) Stroh in den Stall geworfen. Der Mann sei mit seinem Lager sehr zufrieden gewesen. Annemarie Lehmeier stellte noch weitere radikale Aussteiger vor, zum Beispiel den „Hiasl“ aus dem Tal der Schwarzen Laber.
Mucksmäuschenstill wurde es im Saal in Erlheim, als Kreisheimatpfleger Walter Schraml am 81. Jahrestag der Hinrichtung der Geschwister Scholl das entbehrungsreiche Leben von Ludwig Göhring aus Nürnberg vorstellte. Der Installateur – oder Flaschner, wie man sie in Franken nennt – war Mitglied der KPD und des Kommunistischen Jugendverbandes Deutschland (KJVD) und hatte schon als 23-Jähriger die Gefahren erkannt, die sich durch den aufstrebenden Nationalsozialismus und besonders nach der Machtergreifung Hitlers im Januar 1933 für Land und Volk aufgetan hatten. Nachdem die Herstellung von Flugblättern in einer Nürnberger Gartenkolonie zu riskant geworden waren, verlagerte der Widerstandskreis laut Schraml die Herstellung von Flugblättern in die Anton-Völkel-Grotte bei Königstein.
Die in der Karsthöhle hergestellten Flugblätter wurden von Kurieren übernommen und verteilt. Viermal seien diese gefährlichen Aktionen gelungen, doch dann sei das Vorhaben am Bahnhof eines Nürnberger Vororts enttarnt worden. Wie Walter Schraml weiter erzählte, habe damit für den jungen Widerstandskämpfer ein beispielloser Leidensweg begonnen. Schraml hatte den geschundenen Ludwig Göhring noch persönlich kennengelernt und von ihm erfahren, dass er insgesamt drei Konzentrationslager überlebt hatte: Dachau, Flossenbürg und Neuengamme. Ludwig Göhring starb kurz vor seinem 89. Geburtstag am 6. Juli 1999.
Der letzte Heimatkundliche Stammtisch der Gemeinde Ursensollen im Herbst- und Winterhalbjahr findet am Donnerstag, 14. März, in Erlheim statt. Dann wird Altstraßenforscher Alfred Wolfsteiner über die „Hoach Schtrouß“ (Hohe Straße), die von Alfeld in Richtung Naab führt und auch die Gemeinde Ursensollen berührt, referieren.
Unter dem Kürzel (schß) schreibt Josef Schmaußer als freier Mitarbeiter von Oberpfalz-Medien, er ist zugleich Heimatpfleger von Ursensollen.