Kontraste, Krisen und Katastrophen bestimmten das 19. Jahrhundert in Sulzbach, damals noch keine Doppelstadt mit Rosenberg. Während der 9. Hofmusiktage machten sich historisch Interessierte auf Spurensuche.
Eine musikalische Stadtführung mit Stadtheimatpfleger Markus Lommer stand auf dem Programm der 9. Sulzbacher Hofmusiktage. Start sollte auf der Schlossterrasse sein. Wegen des Regens suchte die Gruppe in der Städtischen Sing- und Musikschule Zuflucht. Unbeschwert heitere Musik von Caspar Kummer ließ dort die Sonne scheinen. Michael Kämmle mit der Traversflöte, einem Vorläufer der modernen Querflöte, und Gitarrist Andreas Fischer begleiteten Lommers Ausführungen.
Der Heimatpfleger berichtete davon, dass 1794 mit dem Tod der Pfalzgräfin Franziska Dorothea der letzte höfische Glanz aus Sulzbach verschwand und die Stadt verarmte. Erst als der Drucker und Verleger Johann Esaias von Seidel 1807 das Sulzbacher Schloss erwarb, dort seine Druckereien unter einem Dach zusammenführte und seine weitreichenden Geschäfte führte, begann sich die Stadt zu erholen.
Seidel war es auch, der wesentlich dazu beitrug, die Stadt nach dem verheerenden Brand von 1822 wieder aufzubauen. Er druckte nämlich 80.000 Bittbriefe und verschickte sie an seine Geschäftspartner. Daraufhin trafen Spenden aus dem ganzen deutschsprachigen Raum ein.
„Die Sulzbacher Toleranz war keine Worthülse”, betonte Lommer, denn nach dem Brand, der auch die hebräische Druckerei vernichtet hatte, stellte Seidel seinem jüdischen Kollegen im Schloss Räume und seine eigenen Druckpressen zur Verfügung. Deshalb musste er sogar einen lukrativen Auftrag ablehnen, nämlich den Druck des Bayerischen Wörterbuchs von Johann Andreas Schmeller.
Die Gruppe warf einen Blick auf die Klosterkirche, hörte in der Synagoge wieder muntere Flöten- und Gitarrenmusik und erreichte schließlich das Seidel-Anwesen. Hier öffnete sich die Tür zu einem besonderen Schatzkästlein, der Bibliothek. Bis zur Decke recken sich die vollgestellten Bücherregale, und im Raum verteilt stehen die meisten der Gipsbüsten, die einst das Pantheon im Schlossgarten schmückten. Lommer zeigte einige Sulzbacher Kalender und theologische Schriften.
Dann bewunderte man im Hof die lebensgroße Minerva-Statue von 1819. Dieses Werk von Joseph Kirchmayer war die erste große Metallgussfigur in Bayern. Sie steht auf dem ehemaligen Grabstein der Familie Wotschack. Weil ihre Tafel im Freien zu stark verwittern würde, wird sie für gewöhnlich in der Bibliothek aufbewahrt. Anlässlich der Hofmusiktage zierte sie den Grabstein mit ihrer Inschrift: „Des Morgens denk an deinen Gott, des Mittags iss vergnügt dein Brot, des Abends denk an deinen Tod, des Nachts verschlafe deine Not”.
Schließlich erreichte die Gruppe den warmen und trockenen Seidelsaal. Hier tischten Hannelore und Siegfried Dorner von der Buchhandlung ein Menü auf, wie es im Küchenkalender von 1831 vorgeschlagen wird. Erst gab es eine leckere Kartoffelsuppe, dann Grünen Kuchen mit Spinat. Die Gäste saßen plaudernd beisammen und stellten Lommer noch einige Fragen. Darüber wurde es Abend, und das letzte Konzert der Hofmusiktage begann.
Kämmle, Traversflötist Armin Köbler und Pianist Stefan Seyfried verzauberten unter dem Titel „Klingendes Pantheon“ die Zuhörer mit romantischen Kompositionen. Die mal schmelzenden, mal kecken Flötentöne vermählten sich mit dem zarten, eleganten Klang eines Érard-Klaviers von 1807, also aus der Zeit, als die gespielte Musik geschrieben wurde.
Die Hofmusiktage brachten nicht nur am Sonntag die Stadt zum Klingen. Am Freitagabend wurde das Musikereignis von einem Traversflötenensemble eröffnet. Die Instrumente aus Holz verzauberten die Besucher mit ihrem warmen, sinnlichen Klang. Am Samstag fand im Rathaus ein Workshop zur alten Musik statt. Die Ergebnisse konnte man am Abend im Rathaussaal genießen. Musiker aller Altersklassen, Profis und Laien, spielten Kammer- und Orchestermusik des Barock.
„Die Sulzbacher Toleranz war keine Worthülse.”