Nacht der Bibliotheken (Bild: Daniel Richter)

Großer Erfolg für Provinzialbibliothek Amberg bei Nacht der Bibliotheken

Die Provinzialbibliothek Amberg kann ein sehr positives Fazit zur ersten bundesweiten Nacht der Bibliotheken ziehen. Die Führung durch das Haus mit Einblicken in üblicherweise nicht zugängliche Magazinräume und natürlich dem Barocksaal mit seinen alten Buchbeständen stieß auf so großes Interesse, dass Bibliotheksleiterin Siglinde Kurz kurzerhand einen zweiten Termin zu späterer Stunde anbot. Ein besonderer Publikumsmagnet war der Vortrag „Das Hundevieh beißt nicht. Ludwig Thoma (1867 bis 1921) und der Simplicissimus” von Gertrud Maria Rösch, Professorin an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, der den Bibliothekssaal bis auf den letzten Platz füllte. Bis 1914 war Ludwig Thoma (1867 bis 1921) einer der schärfsten Kritiker des Wilhelminischen Kaiserreichs, denn er gehörte zu den Autoren der Münchner Satire-Zeitschrift Simplicissimus. Ein bitterböses Titelbild und ein Gedicht gegen Wilhelm II. in der sog. 'Palästina'-Nummer (1898) verursachte einen Zensur-Skandal und brachte den Verfasser Frank Wedekind ins Gefängnis. Diese Situation bot Thoma die einzigartige Chance, mit seinen eigenen Gedichten und einer berserkerhaften Arbeitswut die Zeitschrift auf Erfolgskurs zu bringen. Über die vielfachen Presseprozesse – die ihn 1906 selbst für sechs Wochen ins Gefängnis Stadelheim brachten – wurde er berühmt und berüchtigt als der „Mann, der in den kleinen Städten fast so etwas wie ein Bürgerschreck” wurde, wie es sein anfänglicher Bewunderer Kurt Tucholsky ausdrückte. Thoma gelang letztendlich der Aufstieg vom entlaufenen Rechtsanwalt zu einem der führenden Dramatiker und Romanciers, dessen Honorare und Tantiemen ihn um 1910 schon zum Millionär gemacht hatten. Prof. Gertrud Maria Rösch ist eine ausgewiesene Expertin zum Thema. Sie hat schon ihre Promotion zu Ludwig Thoma verfasst und kennt die widersprüchliche Biographie dieses Schriftstellers wie sein Werk. Sie zeigte auf kurzweilige und eindrückliche Weise, wie aus einem „Bürgerschreck” ein bedingungsloser Patriot wurde, der selbst zweimal im Weltkrieg Dienst an der Front leistete und zuletzt gegen die Weimarer Republik hetzte. Thoma kann heute noch Stoff für die Frage geben, wie sich der einzelne mit den unkontrollierbaren Zeitläuften auseinandersetzen kann. Zum Schluss ging die Referentin der Frage nach, was Satire heute darf und leisten kann und erinnerte an Zensurbeispiele jüngeren Datums, wie der Schmähkritik des Jan Böhmermann an dem türkischen Staatspräsidenten vor einigen Jahren. Die Wirksamkeit von Satire ist historisch gesehen schwer einzuschätzen, so das Fazit von Prof. Rösch. Sie wirke jedoch langfristig an der Formierung von gesellschaftlichen Freiräumen und Toleranzgrenzen mit. Im Barocksaal der Provinzialbibliothek Amberg ist derzeit noch eine Auswahl von satirischen Werken durch die Jahrhunderte aus dem Bestand der Provinzialbibliothek Amberg, darunter natürlich einige Ausgaben der Satirezeitschrift Simplicissimus, zu besichtigen. Ausstellung im Barocksaal Spitze Feder und scharfer Blick Eine Auswahl von satirischen Werken durch die Jahrhunderte 7.4. bis 4.7.2025
north